Ausstellung zeigt verschwiegenes Kapitel der deutschen Geschichte
Am 03.05.2024 wurde im Lichthof des Alten Rathauses von Hoyerswerda die Ausstellung „Stillgeschwiegen“ eröffnet. Sie ist eine gemeinsame Initiative des Sächsischen Beauftragten für Vertriebene und Spätaussiedler sowie des Landesverbandes der Vertriebenen und Spätaussiedler im Freistaat Sachsen/Schlesische Lausitz. Nachdem die Ausstellung im Frühjahr im Berliner DDR-Museum zu sehen war, wurde ein geeigneter Standort in Sachsen gesucht. Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh hat sich vom ersten Moment an offen gezeigt und für die Räumlichkeiten im Rathaus zugesagt. „Ich halte es für sehr wichtig, dass es solche Ausstellungen gibt. Dass man an diesen Teil der Geschichte erinnert“, sagte der Verwaltungschef anlässlich der Eröffnung. Die Ausstellung beleuchtet einen bisher wenig beachteten Teil der deutschen Geschichte, nämlich den der Heimatvertriebenen in der DDR.
Die DDR zählte zu den historisch am stärksten von den Flucht- und Vertreibungsbewegungen betroffenen Gesellschaften weltweit. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges kamen in den Folgejahren etwa 4,3 Millionen Menschen aus den östlichen Gebieten in die Sowjetische Besatzungszone bzw. in die wenig später gegründete DDR. In der gesamten DDR machten die Heimatvertriebenen 24 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Ihr Schicksal wurde wenig beachtet bzw. vom sozialistischen Staat bewusst verschwiegen. Die ehemaligen Bewohner der Ostgebiete, die mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze (Görlitzer Vertrag 1950) ihre Heimat endgültig verloren, wurden im sozialistischen Deutschland zunächst als »Umsiedler«, später nur noch als »Neubürger« bezeichnet. Begriffe wie Flüchtling oder Vertriebener waren in der Öffentlichkeit untersagt.
Frank Hirche, Vorsitzender des Landesverbandes der Vertriebenen und Spätaussiedler in Sachsen, stellt die Bedeutung der Ausstellung heraus: „35 Jahre nach der politischen Wende ist »Stillgeschwiegen« eine der ersten Ausstellungen, die sich mit dem Thema Flucht und Vertreibung in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone und später auch der DDR beschäftigt. Heutzutage können viele Schüler mit dem Begriff »Umsiedler« überhaupt nichts mehr anfangen.“ Es sei wichtig, dieses Thema insbesondere jüngeren Generationen zu vermitteln. Heimat sei ein facettenreicher Begriff, der in der deutschen Geschichte auch von leidvollen Erfahrungen geprägt war. Die Ausstellung macht deutlich, wie Menschen, die wenig Anerkennung erfuhren, sich eine zweite Heimat aufgebaut haben.
Dr. Jens Baumann, Beauftragter für Vertriebene und Spätaussiedler beim sächsischen Innenministerium, sieht auch Parallelen zu den heutigen Flüchtlingsbewegungen. Man könne durchaus Erfahrungen von damals ins Heute übertragen. Er merkt an: „Auch aus Steinen, die einen in den Weg gelegt werden, kann man was Schönes bauen. Das haben die Vertriebenen damals gezeigt. Das sollten wir auch anderen ermöglichen, die guten Willens hierher kommen, die sich integrieren wollen und ein Teil von unserer Gesellschaft werden wollen. Die Vertriebenen aus den ostdeutschen Gebieten haben damals unser Land mitgestaltet, wie auch die Spätaussiedler und später die Vertragsarbeiter in der DDR.“
Mit der Ausstellung „Stillgeschwiegen“ wird die entbehrungsreiche und teils traumatische Geschichte Heimatvertriebener in den öffentlichen Diskurs gerückt. Die Ausstellung kann bis zum 2. Juli zu den Öffnungszeiten des Alten Rathauses besichtigt werden. Wir laden insbesondere Schulen ein, die Ausstellung im Lichthof als außerschulischen Lernort zu nutzen.