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Sorben in Hoyerswerda

Besucher, die zum ersten Mal in Hoyerswerda sind, wundern sich nicht selten über die zweisprachigen Schilder an Straßen oder öffentlichen Gebäuden: „Hoyerswerda“ und „Wojerecy“ ist auf den Ortseingangsschildern zu lesen. „Bürgerzentrum Braugasse 1“ steht an einer Seite dieses Hauses, an der anderen, dem Marktplatz zugewandten, Seite steht „Wobydlerski centrum Piwarska hasa 1“.

„Ist das Polnisch?“, wird oft gefragt. Doch bis zur Landesgrenze sind es gut 50 Kilometer. Die richtige Antwort lautet: Das ist Sorbisch – Hoyerswerda liegt im zweisprachigen Siedlungsgebiet. Hier wird deutsch und sorbisch gesprochen. Sowohl im Freistaat Sachsen als auch im benachbarten Brandenburg liegt die Heimat einer nationalen Minderheit, der Sorben, eines westslawischen Volkes.
Doch bei der Aufforderung „Sag mal was auf Sorbisch!“, müssen die meisten Hoyerswerdaer passen.

Dabei blickt die Region auf eine lange, sorbisch geprägte Geschichte zurück: Während der Völkerwanderung im 6. Jahrhundert kamen slawische Stämme in das Gebiet zwischen Saale und Neiße. Als „Sorben” wurden zunächst nur die Verbände zwischen Saale und Mulde bezeichnet. Erst im Laufe des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wurde der Name „Sorben” allmählich auf die in der Lausitz siedelnden slawischen Stämme, die Lusitzer und Milzener, übertragen. 932 unterwarf Heinrich I. mit Gewalt die Milzener und Lusizer. Sieben Jahre später ermordet Markgraf Gero mit Arglist 30 elbslawische Fürsten. Daraufhin kommt es zu zahlreichen Aufständen.
Ein eigener Staat kam so von Anfang an nicht. Die noch heute in der Lausitz lebenden Sorben sind die Nachkommen dieser slawischen Stämme.

Im 15. Jahrhundert machten die Sorben in der Oberlausitz noch etwa ein Drittel der Bevölkerung aus. Der Dreißigjährige, der Schlesische und der Siebenjährige Krieg dezimierten die Bevölkerung, so dass um 1800 noch ca. 250.000 Sorben in Deutschland lebten. Neun Zehntel waren protestantisch, ein Zehntel katholisch.

Um 1850 entstanden Bildungs- und Bauernvereine. Sorbische Gesangfeste vermittelten breiten Massen die sorbische Kultur. Künstler und Dichter traten hervor:

Handrij Zejler (1804 – 1872)
Korla Awgust Kocor (1822 – 1904)
Jan Arnošt Smoler (1816 – 1884)

1854 setzte eine Auswanderungswelle des sorbischen Volkes nach Übersee ein. Noch heute siedeln Sorben in Texas.
1912 entstand in Hoyerswerda die Domowina, der Bund Lausitzer Sorben, als Dachorganisation von 31 sorbischen Vereinen.
Durch den fortschreitenden Bergbau in der Lausitz verschwand eine Reihe sorbischer Dörfer, was mit einem weiteren Niedergang der sorbischen Dorfkultur verbunden war.

Die Sorben haben eine eigene lebendige Sprache und Kultur. Dabei hat das um Hoyerswerda und Bautzen gesprochene Obersorbisch stärkere Ähnlichkeiten mit dem Tschechischen, das um Cottbus gesprochene Niedersorbisch neigt eher zum Polnischen.
In Hoyerswerda hat die Anwendung der sorbischen Sprache in der Familie und im Alltag in den vergangenen fünfzig Jahren stark nachgelassen. Vor allem in den katholischen Gebieten zwischen Wittichenau und Bautzen wird auch zu Hause noch sorbisch gesprochen, ältere Frauen tragen hier manchmal noch die sorbische Alltagstracht. Jüngere Sorbinnen schmücken sich nur zu großen Fest- und Feiertagen mit einer Tracht, meist mit einer Festtagstracht.

Sorben und Deutsche leben gleichberechtigt miteinander. In Sachsen und in Brandenburg ist der Schutz der sorbischen Sprache und Kultur jedoch in der jeweiligen Landesverfassung ausdrücklich festgeschrieben. Das zeigt, dass sich beide Bundesländer ihres besonderen, lebendigen kulturellen Schatzes sehr bewusst sind. In der Lausitz leben ungefähr noch 40 000 60.000 sorbische Muttersprachler. Davon etwa 20.000 Niedersorben in der brandenburgischen Niederlausitz und 40.000 Obersorben in der sächsischen Oberlausitz zwischen Kamenz,  Bautzen, Weißwasser und Hoyerswerda.

An ausgewählten Schulen in der sächsischen Ober- und in der brandenburgischen Niederlausitz wird Sorbisch als Zweitsprache oder als Fremdspreche gelehrt. An allen sächsischen Grundschulen werden Grundkenntnisse über die Geschichte und Kultur der Sorben vermittelt. In Hoyerswerda wird die sorbische Sprache und Kultur besonders in der Grundschule am Adler „Handrij Zeiler“ gelebt. In den Kindertagesstätten unserer Ortsteile Zeißig, Bröthen-Michalken, Schwarzkollm und Dörgenhausen wird die sorbische Sprache und Kultur in Witaj-Projekten angeboten – „Witaj“ ist das sorbische Wort für „Willkommen“.  Insbesondere geht es darum, dass in den Kitas das Sorbische spielerisch erlernt wird.

Die Stadt Hoyerswerda hat wie auch die anderen Kommunen des sorbischen Siedlungsgebietes eine  Satzung zur Förderung sorbischer Sprache und Kultur.

Die Sitten und Bräuche der sorbischen Bürger bereichern die Kultur der Lausitz. Besonders zu Ostern strömen jährlich Tausende Touristen aus allen Teilen Deutschlands in die Region um die Osterprozessionen erleben zu können. Am Ostersonntag reiten die katholischen Männer einer Kirchgemeinde in Gehrock und Zylinder auf festlich geschmückten Pferden in die Nachbargemeinde, um die frohe Botschaft von der Auferstehung Jesu zu verkünden. Bereits Ende des 15. Jahrhunderts fanden zwischen Hoyerswerda und Wittichenau Reiterprozessionen statt. Seit der Einführung der Reformation 1541 zieht die Prozession von Wittichenau nach Ralbitz. Zwischen diesen beiden Orten gehören heute über 400 Männer zu diesem Prozessionszug. Darunter sind auch Reiter aus dem Hoyerswerdaer Ortsteil Dörgenhausen, der überwiegend katholisch geprägt ist. Die Osterprozessionen mit den sorbischen – aber auch deutschen – Liedern und Gebeten, die festlich geschmückten Pferde und die stolzen Reiter machen den Ostersonntag in der Lausitz zu etwas Einmaligem. In und um Hoyerswerda gehören auch Bräuche wie die Vogelhochzeit am 25. Januar oder das kunstvolle Verzieren von Ostereiern zum kulturellen Leben.

Zum sorbischen Selbstbewusstsein gehören jedoch auch moderne Einrichtungen. Im MDR oder RBB-Hörfunk und auch in den Länderfenstern der beiden Fernsehsender hat die sorbische Sprache ihren festen Platz. Es erscheinen sorbische Zeitungen wie die SERBSKE NOWINY, das Deutsch-Sorbische Volkstheater und das Sorbische National-Ensemble Bautzen bereichern die Kulturangebote der Region. Im Bautzener Domowina-Verlag werden nicht nur neue wissenschaftliche Schriften sondern auch Belletristik in ober- und niedersorbischer Sprache herausgegeben.

 

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